zurück

Arbeitslosenreport NRW: Freie Wohlfahrtspflege kritisiert Sanktionspraxis in den Jobcentern

amnews-2-300x190In Nordrhein-Westfalen gab es zuletzt wieder mehr Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger, wie aus dem aktuellen Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege NRW hervorgeht. Vier von fünf Sanktionen wurden aufgrund eines verpassten Termins beim Jobcenter verhängt. Die Kürzungen treffen unter 25-Jährige besonders hart.

In Nordrhein-Westfalen wurde im Jahr 2017 durchschnittlich jeden Monat gegen 2,7 Prozent der 1,2 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher eine oder mehrere Sanktionen verhängt. Der Wert von unter drei Prozent mag zunächst gering erscheinen. Doch die Freie Wohlfahrtspflege NRW macht in ihrem Arbeitslosenreport vom 18. September 2018 darauf aufmerksam, dass diese offizielle jährliche Sanktionsquote das Ausmaß der Sanktionen im Hartz-IV-System beschönigt. Der Jahresdurchschnitt von knapp 33.000 Sanktionierten ignoriere nämlich, dass es sich nicht jeden Monat um dieselben sanktionierten Personen handelt. Insgesamt seien über den gesamten Jahresverlauf voraussichtlich weitaus mehr Personen betroffen. Das zeige auch die schiere Summe von insgesamt über 220.000 verhängten Sanktionen im Jahr 2017. Im Vergleich zum Vorjahr hatte die Zahl der Sanktionen außerdem leicht zugenommen.

In Nordrhein-Westfalen wird mit einem Anteil von 78 Prozent die überwiegende Mehrheit von Sanktionen wegen eines Meldeversäumnis beim Jobcenter ausgesprochen. Nur etwa jede zwölfte Sanktion wurde verhängt, weil Leistungsbezieher sich weigerten, eine Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen. Dies ist nach Einschätzung der Freien Wohlfahrtspflege ein Zeichen dafür, dass das Ausmaß der Sanktionen in keinem Verhältnis zur Schwere der Verstöße steht.

Kürzungen greifen das Existenzminimum an

Meldeversäumnisse werden mit einer Leistungskürzung um je zehn Prozent des Grundbedarfs bestraft, während sogenannte Pflichtverletzungen mit Kürzungen von 30 bis 60 Prozent geahndet werden. Eine komplette Streichung des Regelsatzes ist für über 25-jährige Hartz-IV-Bezieher bei der dritten Pflichtverletzung vorgesehen. Bei unter 25-jährigen Hartz-IV-Beziehern entfällt die Regelleistung bereits beim ersten Verstoß. Für Christian Heine-Göttelmann, den Vorsitzenden der Freien Wohlfahrtspflege, ist das ein schwerwiegender Eingriff in die Lebensqualität der Hilfebedürftigen: „Wenn der Regelsatz, der ohnehin nur das Existenzminimum sichert, um zehn bis zu 60 Prozent gekürzt wird, ist das für Hartz IV-Bezieher eine Katastrophe“, so Heine-Göttelmann. „Das Geld reicht nicht mehr für eine Zeitung, ein Buch oder Busticket. Je höher die Kürzungen sind, desto schneller ist das pure physische Existenzminimum bedroht.“

In Berufung auf die Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt der Arbeitslosenreport außerdem, dass unter 25-jährige Leistungsbezieher mit einer durchschnittlichen Kürzung von monatlich 127 Euro im Jahr 2017 deutlich heftiger von Sanktionen getroffen wurden als der Durchschnitt mit einer Kürzung von 104 Euro monatlich. Heine-Göttelmann sieht das als Bedrohung für junge Leistungsempfänger, die aufgrund der Kürzungen in prekäre Lebenslagen abrutschen könnten: „Damit nicht noch mehr junge Menschen verloren gehen, fordert die Freie Wohlfahrtspflege NRW die umgehende Abschaffung der besonders scharfen Sanktionsregelungen für unter 25-Jährige“, so der Vorsitzende.

 

 

Zum Weiterlesen:

Freie Wohlfahrtspflege NRW, Arbeitslosenreport 02/2018: Schwerbehinderte am Arbeitsmarkt.

O-Ton Arbeitsmarkt, Hartz-IV-Sanktionen machen auch vor Kindern nicht Halt, 04.06.2018.

O-Ton Arbeitsmarkt, Online-Befragung zu Hartz-IV-Sanktionen: Mehrheit lehnt Kürzungen über 20 Prozent ab, 16.08.2018.