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Aus Arbeitslosigkeit in den Freiwilligendienst: Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor

Der Bundesfreiwilligendienst hat sich als eine wichtige Alternative für Menschen ohne Chance am Arbeitsmarkt etabliert, wie Studien zu dem Thema zeigen. Weil es keine Altersgrenze gibt, ist knapp ein Drittel der Teilnehmer über 27 Jahre alt. Doch noch immer gibt es keine offiziellen Angaben darüber, wie viele Arbeitslose den Bundesfreiwilligendienst tatsächlich als Alternative zum regulären Arbeitsmarkt nutzen.

Eine Befragung der evaluierenden Hertie School of Governance und des Centrums für soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg (CSI) ergab, dass mit etwa 73 Prozent ein Großteil der älteren BFDler vor Eintritt in den Freiwilligendienst arbeitssuchend war und Hartz-IV-Leistungen bezog (O-Ton berichtete hier und hier). Doch noch immer gibt es keine offiziellen statistischen Angaben darüber, wie viele Personen aus Arbeitslosigkeit in den Bundesfreiwilligendienst eintreten, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke hervorgeht.

Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor

In einer Kleinen Anfrage vom 15. Mai 2018 hatte die Fraktion Die Linke um Auskunft gebeten, wie viele Teilnehmende im Bundesfreiwilligendienst vor ihrer Teilnahme arbeitsuchend gewesen waren. Die Bundesregierung konnte hierzu, wie auch in ähnlichen Anfragen in den letzten Jahren, keine Angaben machen. Die Statistiken des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben sowie der Bundesagentur für Arbeit deuten allerdings darauf hin, dass sich ein erheblicher Anteil an (vormals) Arbeitsuchenden unter den Teilnehmenden im Bundesfreiwilligendienst findet.

Auffällig viele ältere Teilnehmende in Ländern mit vielen Arbeitslosen

Mitte 2011 ersetzte der Bundesfreiwilligendienst (BFD) den Zivildienst und öffnete sich für einen breiteren Teilnehmerkreis. Seitdem befinden sich viele Ältere unter den Teilnehmenden. Dabei ist der Freiwilligendienst mit mindestens 20 Wochenstunden und einem Taschengeld von maximal 390 Euro sehr zeitintensiv und gerade bei der aktuell guten Arbeitsmarktlage auch finanziell kaum reizvoll. Vor diesem Hintergrund ist erstaunlich, dass im Juni 2018 30 Prozent aller rund 40.000 Dienstleistenden älter als 27 Jahre waren und 12 Prozent älter als 50 Jahre.

Quelle: Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, Darstellung O-Ton Arbeitsmarkt.

Besonders auffällig: In den Neuen Bundesländern gehörten 69 Prozent der Teilnehmenden zu den Über-27-Jährigen, darunter war knapp ein Drittel der Teilnehmenden sogar älter als 50 Jahre. In Thüringen liegt der Anteil der älteren Teilnehmenden sogar bei 77 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt bei 74 beziehungsweise 73 Prozent. In den neuen Bundesländern mit deutlich schwächerem Arbeitsmarkt und höheren Arbeitslosenzahlen gibt es also auch einen hohen Anteil älterer Dienstleistender, was für ein Ausweichen Arbeitsloser vom regulären Arbeitsmarkt auf den Bundesfreiwilligendienst spricht.

Denn das eigentlich geringe Taschengeld bedeutet beispielsweise für Hartz-IV-Empfänger einen Verdienst von monatlich bis zu 160 Euro zusätzlich. Neben finanziellen Vorteilen ist der Bundesfreiwilligendienst zudem auch deshalb interessant, weil die Teilnehmenden während ihres Dienstes nicht mehr unter dem Druck stehen, sich auf Stellen zu bewerben oder an Maßnahmen des Jobcenters teilnehmen zu müssen. Im Gegensatz zum Ein-Euro-Job können sie zudem selbst entscheiden, ob, wo und in welchem Tätigkeitsbereich sie eine Stelle übernehmen.

Teilnehmende zählen nicht länger als arbeitslos

Auch entlastet die Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst die Arbeitsmarktstatistik, denn Teilnehmende zählen, wenn sie am Bundesfreiwilligendienst teilnehmen nicht mehr als arbeitslos. Seit 2014 erfasste die Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) jährlich rund 15.000 Abgänge von Arbeitslosen in Wehr-, Zivil-, und Bundesfreiwilligendienst. Eine genaue Bezifferung, wie viele dieser Abgänge in den Bundesfreiwilligendienst führen, ist anhand der Statistik jedoch immer noch nicht möglich.

Auffällig ist jedoch, dass mit dem Ende der Wehr- und Zivildienstpflicht im Jahr 2011 die Abgangszahlen schlagartig eingebrochen sind. Seitdem liegen die Abgangszahlen im Hartz-IV-System (SGB II) über denen im System der Arbeitslosenversicherung (SGB III). Da im Hartz-IV-System rund zwei Drittel der Arbeitslosen und knapp 90 Prozent der Langzeitarbeitslosen betreut werden, deutet auch diese Statistik auf eine höhere Attraktivität des Bundesfreiwilligendiensts für Arbeitslose im Hartz-IV-Bezug hin.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Darstellung O-Ton Arbeitsmarkt.

von Lena Becher

 

 

Zum Weiterlesen:

Bundesagentur für Arbeit, Arbeitslose nach Rechtskreisen – Deutschland, West/Ost, Länder und Agenturen für Arbeit (Jahreszahlen), Dezember 2007 – Dezember 2017.

Hertie School of Governance / Universität Heidelberg, Ein Jahr Bundesfreiwilligendienst. Erste Erkenntnisse einer begleitenden Untersuchung.

Aktuelle Statistiken zum BFD des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben.

Entwicklung im Bundesfreiwilligendienst, Antwort auf die kleine Anfrage der Linken, (Drucksache 19/2139), 15.05.2018.

Entwicklung des Bundesfreiwilligendienstes seit dem Jahr 2011, Antwort auf die kleine Anfrage der Linken, (Drucksache 18/4082), 13.03.2015.

Bundesfreiwilligendienst und Freiwillige über 27 Jahre, Antwort auf die kleine Anfrage der Linken (Drucksache 17/14066), 21.06.2013.

Weiterentwicklung des Bundesfreiwilligendienstes, Antwort auf die kleine Anfrage der Linken (Drucksache 17/9548), 08.05.2012.

Bild: Colourbox.de