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Statistik mit Fragezeichen: Nicht einmal jeder zweite Flüchtling ist offiziell arbeitslos

Inzwischen sind über 450.000 erwerbsfähige Flüchtlinge im System der Bundesagentur für Arbeit (BA) angekommen. Hiervon wurden im April 180.000 als Arbeitslose gezählt. Die Entwicklung der gesamtdeutschen Arbeitslosenzahl ist davon bislang weitestgehend unberührt. Aber was die Arbeitslosenstatistik verschweigt: Die Zahl der Flüchtlinge ohne Arbeit liegt um einiges höher.

Seit Juli 2016 erfasst die BA in einer gesonderten Statistik Daten zu Flüchtlingen. In dieser wurden 180.000 Flüchtlinge im April 2017 als Arbeitslose erfasst. Im Vergleich zum Beginn der Aufzeichnungen ist dies ein Anstieg um rund 27 Prozent. Trotzdem ist die Gesamtzahl der Arbeitslosen in Deutschland im gleichen Zeitraum gesunken (O-Ton berichtete). Im Vergleich zur Zahl der Arbeitslosen ist die Zahl der Arbeitsuchenden Flüchtlinge im gleichen Zeitraum erheblich stärker gewachsen. Mehr als 475.000 Flüchtlinge waren im April bei der BA als arbeitsuchend gemeldet. Dies sind rund 48 Prozent mehr als noch im Juli 2016. Weil also weniger als jeder zweite bei der BA als arbeitsuchend gemeldete Flüchtling als arbeitslos gezählt wird, bleibt über die Hälfte der erwerbsfähigen Flüchtlinge in der Arbeitslosenzahl unberücksichtigt.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Personen im Kontext von Fluchtmigration, Darstellung O-Ton Arbeitsmarkt

Menschen ohne Arbeit: Nicht jeder zählt als „arbeitslos“

Warum aber klaffen die Zahlen von Arbeitsuchenden und Arbeitslosen so weit auseinander? Die Statistik der BA unterscheidet nach gesetzlichen Vorgaben zwischen Arbeitsuchenden und Arbeitslosen. Nicht jeder erwerbsfähige Mensch ohne Arbeit wird von der BA als arbeitslos erfasst. Arbeitslose bilden demnach nur eine Teilmenge der Arbeitsuchenden. Arbeitsuchend ist jeder, der bei der BA gemeldet eine Beschäftigung als Arbeitnehmer sucht; unabhängig vom Beschäftigungsstatus zur Zeit der Meldung. Offiziell als arbeitslos gilt jedoch nur, wer außerdem keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, und nicht an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme teilnimmt.

42 Prozent der Flüchtlinge ohne identifizierbaren Grund nicht arbeitslos

Obwohl die Arbeitslosenzahlen der BA infolge dessen nie alle Menschen ohne Arbeit erfassen, ist die offizielle Zahl der arbeitslosen Flüchtlinge besonders irreführend. Im Januar 2017 (Daten nur mit Wartezeit verfügbar) waren nur rund 40 Prozent der Arbeitsuchenden auch offiziell arbeitslos. 18 Prozent der Arbeitsuchenden gingen aufgrund der Teilnahme an Maßnahmen nicht in die Arbeitslosenzahl ein. Zu den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zählen u.a. Sprach- und Integrationskurse, Praktika, Weiterbildungen und Ein-Euro-Jobs. Für nahezu die Hälfte aller arbeitsuchenden Flüchtlinge hingegen existieren keine Informationen, warum sie offiziell nicht als arbeitslos gelten. Auf Nachfrage verwies die BA darauf, dass gerade Flüchtlinge dem Arbeitsmarkt oftmals (noch) nicht zur Verfügung stehen, zum Beispiel, weil sie sich noch in Maßnahmen befinden oder keine Arbeitsgenehmigung haben.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Personen im Kontext von Fluchtmigration, Darstellung O-Ton Arbeitsmarkt

Während aus der Statistik hervorgeht, wie viele Flüchtlinge an Maßnahmen teilnehmen, liegen hingegen nach Auskunft der BA keine Angaben darüber vor, wie viele Flüchtlinge aufgrund einer fehlenden Arbeitserlaubnis oder anderen Gründen nicht in der Arbeitslosenstatistik erfasst werden. Mögliche weitere Gründe sind beispielsweise eine Arbeitsunfähigkeit, das Ausüben einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder der Besuch von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass die Zahl der de-facto-arbeitslosen Flüchtlinge die offizielle Arbeitslosenzahl, mindestens um die rund 80.000 Teilnehmer an Maßnahmen, weit übersteigt.

Eingeschränkte Aussagekraft der Daten

Die im Rahmen der Statistik erfassten Menschen sind aus Fluchtgründen (im Unterschied zu wirtschaftlichen Gründen) nach Deutschland gekommen. Sie haben eine Aufenthaltsgestattung, eine Aufenthaltserlaubnis Flucht oder eine Duldung. Insgesamt sind die statistischen Ergebnisse hilfreich bei der ersten Einschätzung, denn sie stammen aus den Prozessdaten der Bundesagentur für Arbeit. Jeder Flüchtling, der sich bei einer Arbeitsagentur oder einem Jobcenter arbeitslos oder arbeitsuchend meldet, wird statistisch erfasst.

von Lena Becher und Stefan Sell

 

 

Zum Weiterlesen:

Bundesagentur für Arbeit, Personen im Kontext von Fluchtmigration.

O-Ton Arbeitsmarkt, Was die offizielle Arbeitslosenzahl verschweigt: 3,58 Millionen Menschen ohne Arbeit, 03.05.2017.