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Bundesregierung rechnet Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit schön

(o-ton) Laut Bundesregierung ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen zwischen 2007 und 2011 um etwa 670.000 Personen gesunken. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der propagierte arbeitsmarktpolitische Erfolg aber als lediglich statistischer Effekt. Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe durch die „Hartz-Reformen“ erhielten zahlreiche ehemalige Sozialhilfeempfänger irrtümlich den Status arbeitslos. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen stieg dadurch 2007 auf einen absoluten Höchstwert, der in den Folgejahren 2008 und 2009 hauptsächlich durch die Korrektur der Fehlzuweisungen abgebaut wurde.

Mitten im Wahlkampf brüstet sich die Bundesregierung mit Erfolgen beim Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit. Ende August verbreitete sie die Meldung: „Gute Jobaussichten für Langzeitarbeitslose“. Dort heißt es: „Die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt bietet auch den Menschen eine Chance, die seit einem Jahr oder länger arbeitslos sind“ und „Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist deutlich gesunken: zwischen 2007 und 2011 von 1,72 Millionen auf 1,05 Millionen.“

Doch kann man hier tatsächlich von arbeitsmarktpolitischen Erfolgen sprechen? Nicht wirklich, denn bei genauem Hinsehen entpuppt sich der Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit als rein statistischer Effekt, den sich die Bundesregierung zunutze macht.

Erfassungsfehler bei der Einführung des SGB II („Hartz IV“-System)

Mit den Hartz-Reformen wurden die Arbeitslosen- und Sozialhilfe 2005 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende („Hartz IV“) zusammengeführt. Zahlreiche ehemalige Sozialhilfeempfänger erhielten im Zuge dieser Umstellung irrtümlich den Status arbeitslos, obwohl sie dem Arbeitsmarkt tatsächlich nicht zur Verfügung standen. Das führte zu einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosenzahl 2005 und daher im Verlauf der Jahre 2006 und 2007 zu einem deutlichen Zuwachs bei den Langzeitarbeitslosen. Im Jahresdurchschnitt 2007 war die Zahl der Langzeitarbeitslosen allein deshalb auf den absoluten Höchstwert von 1,7 Millionen Menschen angestiegen.

Dieser Höchstwert reduzierte sich in den Folgejahren durch Korrektur der Fehlzuweisungen. Daraus ergibt sich der überdurchschnittlich starke, aber hauptsächlich statistische, Abbau der Langzeitarbeitslosenzahl zwischen 2007 und 2009.

Bundesagentur für Arbeit (2011), Sockel- und Langzeitarbeitslosigkeit, S.10

Im Bericht zur Sockel- und Langzeitarbeitslosigkeit der Bundesagentur für Arbeit aus 2011 heißt es entsprechend: „In den vergangenen fünf Jahren sank die Zahl der Arbeitslosen um gut ein Drittel auf unter drei Millionen. … Allerdings können die hohen Werte in den Jahren 2005 und 2006 auch als Folge der anfänglich sehr weitreichenden Statuszuweisung „arbeitslos“ für erwerbsfähige Hilfebedürftige im Zuge der Einführung des SGB II gelten. Der deutliche Rückgang ist damit teilweise einer Bereinigung der übererfassten Fälle insbesondere in den ersten drei Jahren des SGB II geschuldet.“

Auf das Basisjahr kommt’s an

Der Blick auf die Entwicklung der Zahlen zeigt entsprechend, dass der Großteil des Rückgangs der Langzeitarbeitslosigkeit zwischen 2007 und 2011 in den Jahren 2008 und 2009 erfolgte, in denen die Korrekturen der Fehlzuweisungen vorgenommen wurden. In diesen beiden Jahren wurde die Langzeitarbeitslosenzahl statistisch um 590.000 Personen nach unten korrigiert. Wenn die Bundesregierung also gerade den künstlich erzeugten Höchstwert der Langzeitarbeitslosigkeit Jahr 2007 als Basis für ihre Berechnung wählt, schönt sie den überwiegend statistischen Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit um etwa 590.000 Menschen zu einem arbeitsmarktpolitischen Erfolg.

Daten Bundesagentur für Arbeit (2012), Dauern in der integrierten Arbeitslosenstatistik

Um tatsächlich von arbeitsmarktpolitischen Erfolgen sprechen zu können, sind erst die Zahlen ab 2010 aussagekräftig. Erst dann lässt sich wieder von einem statistisch unbeeinflussten Abbau der offiziell ausgewiesenen Langzeitarbeitslosigkeit sprechen.

In dieser Zeit sank die Zahl der Langzeitarbeitslosen allerdings um lediglich 78.000 Personen und damit deutlich moderater, als uns die Bundesregierung mit ihrer aktuellen Erfolgsmeldung glauben machen will.

Unterzeichnete Statistik zur Langzeitarbeitslosigkeit

Noch fragwürdiger erscheint der vermeintliche Erfolg beim Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit, wenn man berücksichtigt, dass die offizielle Statistik die Zahl der Langzeitarbeitslosen massiv unterzeichnet.  So genannte „schädliche Unterbrechungen“ machen bisherige Langzeitarbeitslose zu „neuen“ Arbeitslosen – zumindest statistisch.

Denn was sich Unterbrechung nennt, bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Arbeitslosigkeit tatsächlich zeitweise beendet wurde. „Schädlich“ ist beispielsweise schon die Teilnahme an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme oder eine längere Krankheit. Nach dieser Unterbrechung wird die Dauer der Arbeitslosigkeit von vorne gezählt und ein neues Startdatum eingetragen. Dass die betreffenden Personen in der Zwischenzeit weder Arbeit gefunden noch den Arbeitslosengeldbezug beendet haben, ist irrelevant (O-Ton berichtete).

Einen annähernden Hinweis darauf, wie stark die Statistik das tatsächliche Ausmaß der Langzeitarbeitslosigkeit verzerrt, gibt der Blick auf die Verweildauern. Sie bilden ab, wie lange Personen zu einem bestimmten Stichtag bereits durchgängig „Hartz IV“-Leistungen beziehen. Die Statistik zeigt: Mehr als 77 Prozent aller als arbeitslos registrierten „Hartz IV“-Empfänger waren im Dezember 2012 bereits über ein Jahr abhängig von Leistungen aus der Grundsicherung, das entspricht über 1,4 Millionen Menschen.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Verweildauern im SGB II – Deutschland mit Ländern und Kreisen – Dezember 2012, Tabellenblatt 31 T.

Zum Weiterlesen:

Bundesregierung, Gute Jobaussichten für Langzeitarbeitslose

Bundesagentur für Arbeit, Sockel- und Langzeitarbeitslosigkeit (Publikation online nicht mehr verfügbar)

Bundesagentur für Arbeit, Dauern in der integrierten Arbeitslosenstatistik

Bundesagentur für Arbeit, Verweildauern im SGB II – Deutschland mit Ländern und Kreisen – Dezember 2012