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Qualifizierungschancengesetz: Änderungen in der Arbeitslosenversicherung und im Hartz-IV-System

Bis Jahresende 2018 wird die Arbeitslosenversicherung einen Überschuss von 22,5 Milliarden Euro erwirtschaftet haben. Gleichzeitig gibt es immer weniger Arbeitslose in diesem System. Das Qualifizierungschancengesetz sieht nun vor, dass die Zuständigkeit der Arbeitslosenversicherung erweitert wird: Auf mehr Beschäftigte – und einen Teil der Arbeitslosen im Hartz-IV-System.

Das Qualifizierungschancengesetz weicht die Aufgabentrennung zwischen der Bundesagentur für Arbeit (BA) und den Jobcentern bei der Beratung und Vermittlung von Arbeitslosen auf. Das geht aus dem Referentenentwurf des Gesetzes vom 30. August 2018 hervor. So ist im Qualifizierungschancengesetz geplant, dass auch Arbeitslose und Arbeitsuchende, für die im Rahmen des Zweiten Sozialgesetzbuchs (SGB II) eigentlich die Jobcenter zuständig sind, zukünftig das Beratungsangebot der Arbeitsagenturen in Anspruch nehmen können. Möglich sein soll das allerdings nur bei Beratungsanliegen, in denen es um Weiterbildung und Qualifizierung geht.

22,5 Milliarden Euro Überschuss im BA-Haushalt

Ein Motivator für die Erweiterung der BA-Zuständigkeit könnte der Haushaltsüberschuss der BA sein. Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wird sich dieser bis Ende des Jahres 2018 auf rund 22,5 Milliarden Euro belaufen. Gleichzeitig hat die gute Arbeitsmarktlage dazu geführt, dass vor allem die in der Zuständigkeit der BA liegenden Arbeitslose im Rechtskreis des Dritten Sozialgesetzbuchs (SGB III; Arbeitslosenversicherung) in den letzten Jahren immer weniger geworden sind. Außerdem gab es in den letzten Jahren bei mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auch mehr Einzahler in das System der Arbeitslosenversicherung. Für immer weniger Personen stand der BA also immer mehr Geld zur Verfügung. Die nun geplante Erweiterung ihrer Zuständigkeiten könnte diese Entwicklung abschwächen.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit und eigene Berechnungen, Darstellung: O-Ton Arbeitsmarkt.

Die Zahl der Arbeitslosen im Hartz-IV-System hat seit 2006 um 40,6 Prozent abgenommen und lag im Jahr 2017 bei knapp 1,68 Millionen. Der Rückgang im System der Arbeitslosenversicherung war mit 48,6 Prozent deutlich stärker. Im Jahr 2017 wurde mit insgesamt knapp 1,68 Millionen Personen ungefähr ein Drittel aller Arbeitslosen von den Jobcentern betreut. Die Mittel der Jobcenter im Hartz-IV-System sind jedoch für einen deutlich größeren Personenkreis hingegen erheblich geringer. So lagen die verfügbaren Mittel für Fördermaßnahmen im Hartz-IV-System mit zuletzt 2,9 Milliarden Euro weit unter denen im System der Arbeitslosenversicherung mit 3,6 Milliarden Euro (Zahlen aus 2016, aktuelle Werte nur mit Wartezeit verfügbar).

Die vorgesehene Änderung im Qualifizierungschancengesetz könnte also eine Verbesserung des Qualifizierungsangebots für Arbeitslose im SGB II sein. Allerdings ist die Verschiebung der Zuständigkeiten zwischen den Rechtskreisen in zweierlei Hinsicht problematisch. Erstens beruht das System der Arbeitsagenturen auf einer Versicherungsleistung, der Arbeitslosenversicherung. Mit der Gesetzänderung würden nun auch Arbeitslose Förderungen aus einer Versicherung erhalten, in die gegebenenfalls nicht eingezahlt haben. Zweitens würden durch die Änderung doppelte Strukturen in Arbeitsagentur und Jobcenter aufgebaut, da theoretisch zwei Einrichtungen für einen „Kunden“ zuständig sein können.

Änderungen der Anwartschaftszeit für Arbeitslosengeld I

Eine zusätzliche Erweiterung der Zielgruppe der Arbeitsagenturen ist die Verlängerung der Zeit, in der Ansprüche auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld bzw. ALG I) erworben werden. Das Qualifizierungschancengesetz sieht vor, dass die Anwartschaftszeit von 12 Monaten Einzahlung in die Arbeitslosenversicherung von vormals 24 auf 30 Monate verlängert wird. Somit würden mehr Arbeitslose einen Anspruch auf ALG I erwerben.

Förderungen für Fachkräfte und Hochqualifizierte

Auch mehr Beschäftigte sollen Förderungen aus dem System der Arbeitslosenversicherung erhalten. Im Referentenentwurf wird dies mit der Digitalisierung und Automatisierung der Berufswelt begründet. Auch Fachkräfte und Hochqualifizierte müssten fortlaufend weitergebildet und qualifiziert werden, damit sie ihre Beschäftigung möglichst lange erhalten können, so der Entwurf. Für Beschäftigte sollen deshalb zukünftig Weiterbildungskosten und der Lohn für die Zeit der Weiterbildung wird von der BA bezuschusst werden, unabhängig von Qualifikation und Alter der Beschäftigten oder Größe ihres Betriebs.

 

 

Zum Weiterlesen:

Bundesagentur für Arbeit, Arbeitslose und Arbeitslosenquoten, Deutschland und Länder (Zeitreihe Jahreszahlen ab 1950), Dezember 2017.

Bundesagentur für Arbeit, Daten zu den Eingliederungsbilanzen, abgerufen am: 14.09.2018.

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifizierungschancengesetz), Stand: 30.08.2018.

O-Ton Arbeitsmarkt, Qualifikation von Arbeitslosen: Paritätischer kritisiert Benachteiligung im Hartz-IV-System, 02.08.2018.

O-Ton Arbeitsmarkt, Fast jeder zweite Arbeitslose hat keine abgeschlossene Berufsausbildung, 04.09.2018.

Bild: Colourbox.de