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Evangelische Beschäftigungsbetriebe diskutieren Zukunft der Sozialkaufhäuser

amnews-2-300x190Sozialkaufhäuser sind nicht nur ein Angebot für Menschen mit wenig Einkommen, sondern auch Begegnungsort und Arbeitsstätte für verschiedenste Personengruppen. Evangelische Beschäftigungsbetriebe sowie Vertreter aus Wissenschaft und Verbänden diskutierten unter der Überschrift „Sozialkaufhäuser: Baustein für Teilhabe, Beschäftigung und Ausbildung“, wie sich das Modell der Sozialkauhäuser zukünftig entwickeln könnte.

Bei der jährlichen Fachtagung des Evangelischen Fachverbands für Arbeit und soziale Integration e.V. (EFAS) in Würzburg am 20. September 2018 diskutierten Vertreter der evangelischen Beschäftigungsbetriebe gemeinsam mit Experten aus Wissenschaft, Wohlfahrt und Wirtschaft über die Rolle der Sozialkaufhäuser für gesellschaftliche Teilhabe und Beschäftigung. Marc Hentschke, Vorstandsvorsitzender des EFAS, betonte, dass Sozialkaufhäuser eine Schnittstelle zwischen sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit einnähmen. Es sei wichtig, das Konzept Sozialkaufhaus weiterzuentwickeln und somit zukunftsfähig zu machen.

Praxiseindrücke aus Deutschland, Dänemark und den USA

Ein Blick in die Praxis verschiedener Anbieter in Deutschland, Dänemark und den USA zeigte, dass das jeweilige Konzept von Sozialkaufhäusern von den sozialstaatlichen Rahmenbedingungen abhängt. So berichteten Thomas Johannes von der Brauchbar gGmbH in Würzburg und Jan Ritzer von der Lila Kleidersammlung Landshut, dass sie aktuell eine hohe Nachfrage auf Kundenseite nach nachhaltiger und günstiger Gebrauchtware verzeichnen können. Allerdings müssten Sozialkaufhäuser in Deutschland bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Wenn sie zum Beispiel Ein-Euro-Jobber beschäftigen, müssen die Sozialkaufhäuser wettbewerbsneutral und zusätzlich sein. Das wird von Seiten der Jobcenter zum Teil angezweifelt, vor allem, wenn sich ihr Angebot nicht explizit an Bedürftige richtet. Ritzer wies jedoch darauf hin, dass gerade ein gemischtes Publikum dazu führe, dass eine mögliche Stigmatisierung des Einkaufs im Sozialkaufhaus aufbreche.

Der Vergleich mit den Anbietern Blaues Kreuz aus Dänemark und Goodwill in den USA zeigte außerdem Unterschiede zwischen den bei Sozialkaufhäusern Beschäftigten auf. Während die Sozialkaufhäuser in Deutschland vor allem als Beschäftigungs- und Ausbildungsbetriebe einen niederschwelligen Zugang in Arbeit ermöglichen sollen, arbeiten in Sozialkaufhäusern und Second-Hand-Läden in Dänemark und den USA vor allem Freiwillige. Am Beispiel von Goodwill in den USA wurde außerdem deutlich, dass Sozialkaufhäuser in sozialpolitische Lücken stoßen und diese auszugleichen versuchen.

Sozialkaufhäuser als „Unternehmen mit sozialer Ausrichtung“

Prof. Dr. Hoburg von der Hochschule Hannover wies in seinem Fachvortrag zur Zukunftsfähigkeit darauf hin, dass Sozialkaufhäuser mitunter auch deshalb im Armutsdiskurs verhaftet seien und dabei oft in direktem Zusammenhang mit den Tafeln genannt werden. Damit sich das Konzept davon emanzipieren und zukunftsfähig gestaltet werden könne, sollten sich Sozialkaufhäuser als Kaufhäuser mit sozialer Absicht am Markt platzieren. Hoburg argumentierte, dass Sozialkaufhäuser sich nicht vorrangig über ihr günstiges Preisangebot definieren sollten, sondern ihre soziale Ausrichtung und ihre Nachhaltigkeit betonen sollten, Dies grenze sie von Kleidungs- und Möbelanbietern im untersten Preissegment ab. Auffallend ist nach Einschätzung von Hoburg, dass Sozialkaufhäuser in Deutschland kaum empirisch untersucht werden. So gebe es keine verlässlichen Erhebungen darüber, wie viele Sozialkaufhäuser in Deutschland betrieben werden, was sie anbieten und wer in ihnen arbeitet und einkauft.

Wie das Sozialkaufhaus als Marke zukünftig aussehen könnten, skizzierten Marketingexperte Stefan Bohrmann und Berater Christoph Schnabel in ihren Kurzimpulsen. Bohrmann sah aus der Marketingperspektive noch Nachholbedarf auf der Seite der Sozialkaufhäuser und regte an, dass Einrichtungen eines Verbandes sich nach außen geschlossener und eindeutig identifizierbar darstellen. Außerdem appellierte er an die anwesenden Träger, sich ihres emotionalen Wertes für die Kundschaft in Abgrenzung zum materiellen Warenwert bewusst zu werden und damit aktiv zu werben. Schnabel griff diese Verbindung zwischen sozialer Ausrichtung und Wirtschaftlichkeit auf. Mit Beispielen aus der Share Economy und Online-Plattformen stellte er verschiedene Formate vor, die Anregungen für Sozialkaufhäuser zum Erreichen ihrer Zielgruppe und einer Aufwertung ihres Angebots zur Verfügung stehen.

Befähigung und Teilhabe statt Stigmatisierung

Zum Abschluss des Tages referierte Dr. Michael Seligmann, Geschäftsführer der Initiative Zukunft der Sozialwirtschaft, über die verschiedenen Beschäftigungsformen, die in Sozialkaufhäusern nebeneinander existieren. Er schilderte, dass die unterschiedlichen Arten der Beschäftigung, etwa im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes, von Ein-Euro-Jobs oder Bildungsmaßnahmen, teilweise auch unterschiedliche Ansätze verfolgen. Seligmann verwies in Verbindung damit auf die geplante Einführung des sozialen Arbeitsmarkts mit dem Teilhabechancengesetz (O-Ton berichtete), über das Langzeitarbeitslose und Langzeitbezieher von Hartz IV auch in Sozialkaufhäusern angestellt werden könnten. Er plädierte für ein befähigendes Beschäftigungskonzept: Arbeiten im Sozialkaufhaus solle nicht alleine auf den Abbau von Defiziten oder Nachteilen ausgerichtet sein, sondern die Kompetenzen der Mitarbeiter stärken.

 

 

Zum Weiterlesen:

Diakonie Deutschland

Evangelischer Fachverband für Arbeit und Soziale Integration