14. November 2014
(o-ton) Hält Andrea Nahles Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit, was es verspricht? Darüber diskutierten gestern Fraktionsvertreter im Bundestag. Anlass war ein Antrag der Linken, die Bundesregierung solle „unverzüglich“ einen Gesetzentwurf zur Förderung der Betroffenen vorlegen. Die Pläne der Arbeitsministerin griffen zu kurz und seien zu unverbindlich.
Die Linke hat die Bundesregierung aufgefordert, „unverzüglich“ einen Gesetzentwurf zur Überwindung der Langzeitarbeitslosigkeit vorzulegen, denn das Konzept der Arbeitsministerin (O-Ton berichtete) greife zu kurz und sei zu unverbindlich.
In ihrem Fünf-Punkte-Programm zur Bekämpfung und Vermeidung von Langzeiterwerbslosigkeit verlangt sie daher unter anderem ein staatliches Investitions- und Zukunftsprogramm für mehr Jobs im Bereich der sozialen Dienstleistungen, 200.000 Stellen in der öffentlich geförderten Beschäftigung, die Erhöhung des Eingliederungsbudgets von 3,9 auf 5,5 Milliarden Euro, die Abschaffung von Sperrzeiten und Sanktionen und eine Sonderabgabe für Arbeitgeber zur Förderung von Langzeitarbeitslosen. Außerdem solle die Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose beim gesetzlichen Mindestlohn abgeschafft werden.
Über den Antrag und die Kritik am Konzept des Arbeitsministeriums wurde am gestrigen Donnerstag im Bundestag beraten. Hier die zentralen Positionen der Redner und ihrer Fraktionen:
Die Linke
Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann präsentierte den Antrag ihrer Fraktion. Sie unterstrich: Bei über einer Million Langzeitarbeitslosen in Deutschland seien 43.000 geplante Maßnahmenplätze aus dem Konzept von Arbeitsministerin Nahles nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In den letzten Jahren sei die Arbeitsmarktpolitik das Sparschwein der Nation geworden und auch von der aktuellen Bundesregierung würde kein Cent mehr in die Hand genommen. Wenn ernsthaft etwas gegen Langzeitarbeitslosigkeit getan werde solle, gehe das nicht zum Nulltarif.
Bündnis 90/Die Grünen
Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, kritisierte, dass die SPD ihre Forderungen aus der Oppositionszeit als Regierungspartei nicht umsetze.
Das Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit nehme kein zusätzliches Geld in die Hand, sondern tausche lediglich bereits bestehende Programme durch andere aus. So ersetze das ESF-Programm zur Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen in Betrieben mittels Lohnkostenzuschüssen (O-Ton berichtete) mit 33.000 Plätzen eins zu eins die Bürgerarbeit ihrer Vorgängerin von der Leyen. Da die 1.000 Mitarbeiter für die Aktivierungszentren lediglich vom aktuellen Programm Perspektive 50plus transferiert und dieses Programm daher schlicht und ergreifend umetikettiert werde, können auch hier nicht von zusätzlichen Mitteln gesprochen werden. Die Finanzierung von sozialversicherungspflichtigen, öffentlich geförderten Arbeitsplätzen für besonders arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose über das Eingliederungsbudget führe zudem dazu, dass das Geld anderen Arbeitslosen fehle.
Wolfgang Strengmann-Kuhn nannte 480.000 Menschen, die dauerhaft langzeitarbeitslos seien und große Schwierigkeiten hätten, wieder aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen. Er bezog sich dabei auf eine Studie des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik (IBUS) der Hochschule Koblenz (O-Ton berichtete). Für diese Menschen forderte er einen Sozialen Arbeitsmarkt und die Finanzierung über den Passiv-Aktiv-Transfer.
SPD
Katja Mast, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD, verteidigte das Konzept ihrer Arbeitsministerin. Man habe bereits jetzt eine Trendwende in der Arbeitsmarktpolitik erreicht. Die Anhebung des Budgets für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen bei Langzeitarbeitslosen habe dazu geführt, dass 2014 pro Kopf etwa 200 Euro mehr zur Verfügung stünden (1.975 Euro), als noch im Jahr 2012 (1.792 Euro).
Langzeitarbeitslose seien für Ministerin Nahles Chefsache. Deshalb gebe sie sich nicht zufrieden mit einem Koalitionsvertrag, der nur ein ESF-Programm plane, sondern habe zusätzliches Geld für die 1.000 Vermittlerstellen in den Aktivierungszentren bei Finanzminister Schäuble erkämpft. Die sozialversicherungspflichtigen Stellen für besonders arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose müssten allerdings aus dem Eingliederungsbudget finanziert werden.
Grundsätzlich sei die gesamte SPD-Fraktion aber für ein Modellprojekt des Passiv-Aktiv-Transfers (PAT) als Finanzierungsalternative, jedoch hapere es an einer Einigung mit dem Koalitionspartner und an der Zustimmung des Finanzministeriums. Im Konzept der Arbeitsministerin sei der PAT daher auch nur deshalb nicht aufgeführt, weil es die Meinung der gesamten Koalition wiedergebe.
Daniela Kolbe unterstrich, dass die 1.000 Stellen für die Vermittlung Langzeitarbeitsloser in Aktivierungszentren besonders sinnvoll seien, um die unterschiedlichen Probleme der Betroffenen mit einem intensiven Profiling angehen zu können. Die Arbeitsministerin habe für diese 1.000 Stellen, die mit dem Auslaufen der Perspektive 50plus ansonsten gestrichen worden seien „wie eine Löwin gekämpft“.
Matthias Bartke machte darauf aufmerksam, dass der Passiv-Aktiv-Transfer leider keine Vollfinanzierung des Sozialen Arbeitsmarktes beinhalte. Er verteidigte das Konzept von Arbeitsministerin Nahles, denn es sei keineswegs eine Umetikettierung alter Programme, sondern beinhalte Neuheiten wie die Betreuung durch Coaches und eine stufenweise Erhöhung der Arbeitsstunden. Zudem sei es sinnvoll, die Erfahrung der 1.000 Mitarbeiter aus Perspektive 50plus zu nutzen.
CDU/CSU
Matthias Zimmer erläuterte, dass in der CDU/CSU-Fraktion zurzeit einige Ideen diskutiere, um Langzeitarbeitslosen zu helfen. Die Instrumentenreform habe den Blick zu sehr auf schnelle Integration in den Arbeitsmarkt gerichtet. Jetzt gehe es darum, auch diejenigen an die Hand zu nehmen, die besondere Schwierigkeiten haben, laut seiner Einschätzung etwa 200.000 Menschen.
Zimmer kritisierte, dass der PAT nicht im BMAS-Papier auftauche. Ein Teil der Fraktion sei für die Erprobung des PAT in einem Pilotprojekt. Zudem spreche sich die Fraktion dafür aus, die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen individueller und nachhaltiger zu gestalten. Bei der Vergabe von Aufträgen für die Durchführung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen durch die Bundesagentur für Arbeit solle zudem mehr auf Qualität und weniger auf den Preis geachtet werden. Zimmer sprach sich ausdrücklich gegen eine Sonderabgabe für Arbeitgeber zur Finanzierung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen bei Langzeitarbeitslosen aus. Diese sollten nicht stärker belastet werden.
Matthäus Strebl wandte sich strikt gegen die Abschaffung der Sanktionen. Wenn Leistungsbezieher sich ihren Mitwirkungspflichten und Meldeterminen entzögen, müssten Sanktionen greifen.
Christel Voßbeck-Kayser machte darauf aufmerksam, dass nicht jeder, der als erwerbsfähig eingestuft würde, auch beschäftigungsfähig sei. Um Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen, sei aber die Qualifizierung der Berater ebenso wichtig wie eine individuellere Förderung der Langzeitarbeitslosen.
Jutta Eckenbach zitierte aus dem Koalitionsvertrag. Ministerin Nahles sei „keinen Deut von ihm abgewichen“, habe aber letztendlich auch nicht mehr getan, als darin festgeschrieben worden sei. Sie kündigte ein Papier der CDU/CSU an, das sich mit dem Thema Langzeitarbeitslosigkeit beschäftige und überraschen werde. Eine Erhöhung der finanziellen Mittel schloss sie allerdings aus.
Zum Weiterlesen:
Deutscher Bundestag, Protokoll der 66. Sitzung vom 13.11.2014, Debatte ab S.6176ff