9. März 2020
Im November 2019 gab es knapp 3,8 Millionen erwerbsfähige Hartz IV-Empfänger, aber gerade einmal 36 Prozent von ihnen gelten als arbeitslos im Sinne der Statistik. Mit 64 Prozent wird der überwiegende Teil von ihnen nicht zu den Arbeitslosen gezählt. Das zeigt die Statistik der Bundesagentur für Arbeit.
Im November 2019 lebten in Deutschland knapp 5,6 Millionen Menschen in einem Hartz IV-Haushalt. Annähernd 3,8 Millionen der Hartz-IV-Empfänger waren im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 Jahren und der Regelaltersgrenze und konnten grundsätzlich einer Arbeit von mehr als drei Stunden täglich nachgehen. Doch von den 3,8 Millionen Erwerbsfähigen im Hartz-IV-System galten im November 2019 nur knapp 1,4 Millionen beziehungsweise 36 Prozent gemäß der BA-Statistik als arbeitslos. Wie ist das möglich?
540.000 oder 14 Prozent der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nahmen an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, zum Beispiel einem Ein-Euro-Job oder einer Weiterbildung teil. Weitere 539.000 beziehungsweise 11 Prozent der erwerbsfähigen Hartz IV-Bezieher arbeiteten mindestens 15 Stunden pro Woche. Bei insgesamt etwa 674.000 Personen oder 18 Prozent war Arbeit nicht zumutbar. Sie befanden sich in Ausbildung, Schule oder Studium (377.000 beziehungsweise zehn Prozent) oder betreuten Kinder, pflegten Angehörige (zusammen etwa 297.000 beziehungsweise acht Prozent). Rund 313.000 Personen oder acht Prozent galten nicht als arbeitslos, weil sie am Stichtag der Erfassung krankgeschrieben waren und knapp 171.000 oder fünf Prozent waren älter als 58 Jahre und hatten entweder innerhalb der letzten zwölf Monate kein Jobangebot erhalten oder bezogen durch vorruhestandsähnliche Regelungen Arbeitslosengeld beziehungsweise „Hartz IV“-Leistungen unter erleichterten Bedingungen.
Bundesrechnungshof kritisiert statistische Erfassung der Arbeitslosigkeit
Für knapp 162.000 erwerbsfähige Hartz-IV-Beziehende wurde kein Grund für ihre Nichtarbeitslosigkeit in der BA-Statistik genannt. Sie werden unter „Sonstiges/Unbekannt“ geführt. Allerdings hat ihre Zahl sowohl absolut als auch anteilig im letzten Jahr stark abgenommen. Eine mögliche Erklärung hierfür ist die Kritik des Bundesrechnungshofs an der statistischen Erfassung von Arbeitslosigkeit in den Jobcentern. In einer stichprobenartigen Prüfung der Jobcenter in gemeinsamer Einrichtung (gE) stellte der Bundesrechnungshof fest, dass in fast neun Prozent der Fälle der Status von Erwerbsfähigen im Hartz-IV-Bezug nicht korrekt erfasst wurde. Nach Angaben des Bundesrechnungshofs wurden von April 2019 bis August 2019 bereits rund 294.000 Personendatensätze in der BA-Statistik überarbeitet. Da sich die Prüfung nur auf die Jobcenter in gemeinsamer Einrichtung von Kommune und BA bezieht, gibt es keine Erkenntnisse über das Ausmaß der Problematik bei Jobcentern in rein kommunaler Trägerschaft.
Immer weniger Hartz-IV-Bezieher sind (offiziell) arbeitslos
In den letzten Jahren ist sowohl die Zahl der erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher als auch die Zahl der Arbeitslosen gesunken. Auffällig ist, dass der Anteil der nicht arbeitslosen Leistungsbeziehenden im gleichen Zeitraum immer weiter gewachsen ist. Zuletzt zählten nahezu zwei Drittel der Hartz-IV-Bezieher nicht zu den Arbeitslosen. Im Vergleich dazu war im Januar 2007 rund jeder zweite erwerbsfähige Leistungsberechtigte auch offiziell arbeitslos. Die Zahlen aus der BA-Statistik verdeutlichen, dass Hartz-IV-Bezug und Arbeitslosigkeit keinesfalls als Synonyme verwendet werden sollten. Vielmehr befinden sich im Hartz-IV-System neben den inoffiziell Arbeitslosen aus der Unterbeschäftigungsstatistik auch hunderttausende Personen, die entweder einer bezahlten oder unbezahlten Arbeit nachgehen.
von Lena Becher
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Bild: Colourbox.de