6. Januar 2017
Die Fluchtmigration hat den Rückgang der Arbeitslosigkeit 2016 geringer ausfallen lassen. Das berechnet die Bundesagentur für Arbeit in ihrem Arbeitsmarktbericht. Den Blick auf die Beschäftigungseffekte sollte sie aber nicht vergessen.
„Im Jahresdurchschnitt 2016 waren in Deutschland 2.691.000 Menschen arbeitslos gemeldet, 104.000 oder vier Prozent weniger als vor einem Jahr.“ Das meldet die Bundesagentur für Arbeit (BA) in ihrem Bericht zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt für das Jahr 2016. Die Bilanz hätte aber noch besser ausfallen können, schiebt die BA hinterher, wenn die Flüchtlinge nicht wären. Denn bis die im Arbeitsmarkt unterkommen, tauchen sie in der Arbeitslosenstatistik auf. Zumindest, wenn sie sich arbeitslos gemeldet haben und nicht an einer Fördermaßnahme teilnehmen.
Im Bericht liest sich das so: „Rechnet man für analytische Zwecke die Personen aus den Asylherkunftsländern heraus, hat sich die Arbeitslosigkeit um 176.000 oder 6 Prozent verringert“. 72.000 arbeitslose Flüchtlinge haben also dafür gesorgt, dass die Zahl der Arbeitslosen 2016 bei 2,69 und nicht bei rund 2,62 Millionen lag – und deshalb im Vorjahresvergleich um zwei Prozentpunkte weniger gesunken ist.
Flüchtlinge in der Arbeitsmarktstatistik getrennt ausweisen
Auf keinen Fall, so scheint es, soll die Fluchtmigration die Arbeitslosenzahl trüben. Bereits Ende 2015 plante die BA auf Wunsch der Regierung, bis zum Jahreswechsel 2016/17 die technischen Voraussetzungen zu schaffen, um Flüchtlinge getrennt in der Arbeitslosenstatistik auszuweisen (SPON). Ende 2016 klappte das noch nicht. Behelfsmäßig bereinigte die Statistikabteilung der Bundesagentur für Arbeit in ihrem Jahresbericht daher die Zahl der Arbeitslosen um Personen mit einer Staatsangehörigkeit der zugangsstärksten nichteuropäischen Asylherkunftsländer (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien). Darunter fallen aber auch Menschen, die nicht während der aktuellen Fluchtwelle nach Deutschland kamen, sondern bereits länger hier leben. Mit folgendem Ergebnis:
Die Arbeitslosigkeit bei Ausländern aus den nichteuropäischen Asylherkunftsländern ist im Durchschnitt des Jahres 2016 um 95 Prozent gestiegen. Bei allen Ausländern gab es einen Zuwachs von zwölf Prozent, bei den Deutschen aber einen Rückgang um acht Prozent. Drastische Prozentwerte, hinter denen sich weniger spektakuläre absolute Zahlen verbergen: Bei den Ausländern aus den acht zugangsstärksten nichteuropäischen Asylherkunftsländern stieg die Zahl der Arbeitslosen um 72.000 auf 148.000 Personen. Bei allen Ausländern gab es einen Anstieg um 66.000 auf 629.000. Zum Vergleich summiert sich die Arbeitslosigkeit bei Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit auf 2,956 Millionen Menschen, 170.000 weniger als 2015.
Flüchtlinge schaffen Arbeitsplätze
Wie die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ohne die Fluchtmigration ausgefallen wäre, berechnet die BA hingegen nicht. Erst Ende des Jahres hatte Joachim Möller, der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), darauf hingewiesen, dass durch die Zuwanderung der Flüchtlinge Arbeitsplätze entstehen. Anfang des Jahres rechnete das IAB mit etwa 50.000 oder 60.000 neuen Stellen. Ende 2016 korrigierte Möller: „Wir gehen davon aus, dass damals einige der aufgrund der Flüchtlingsmigration neu geschaffenen Stellen noch gar nicht besetzt waren, sondern erst danach hinzukamen. Deshalb könnte der Effekt heute sogar noch etwas größer sein“ (Focus Online) – und zum Rückgang der Arbeitslosigkeit insgesamt beigetragen haben.
Im Juni 2016 (aktuellste verfügbare Daten) wurde der Anstieg der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zudem von 25.000 Menschen aus den Asylherkunftsstaaten mitgetragen. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Ausländern insgesamt stieg im selben Monat um 300.000 Personen auf 3,13 Millionen Menschen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Deutschen erhöhte sich um 302.000 auf 28,23 Millionen Menschen.
Zuletzt waren rund 123.500 Menschen aus den Asylherkunftsstaaten in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung (Oktober 2016), 175.000 arbeitslos (Dezember 2016) und rund 565.000 bezogen Hartz-IV-Leistungen (September 2016). Flüchtlinge (und auch alle anderen Arbeitslosen), die an einer arbeitsmarktpolitischen Fördermaßnahme teilnehmen, findet man während dieser Zeit nicht in der Arbeitslosen- sondern in der Unterbeschäftigungsstatistik. 2016 zählten im Durchschnitt 135.000 Menschen aus den zugangsstärksten Asylherkunftsländern nicht zu den Arbeitslosen, sondern zu den Unterbeschäftigten, weil sie an Maßnahmen teilnahmen.
Zum Weiterlesen:
Spiegel Online, Regierung will Flüchtlinge bei Arbeitslosenquote herausrechnen
Bundesagentur für Arbeit, Eckwerte Arbeitsmarkt und Grundsicherung auf Bundesebene