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Evangelische Beschäftigungsbetriebe diskutieren Zukunft der Arbeitsmarktpolitik

(o-ton) Beschäftigungsbetriebe und Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Interessenvertretungen diskutierten bei der diesjährigen Jahrestagung des Evangelischen Fachverbands für Arbeit und soziale Integration e.V (EFAS) über die Arbeitsmarktpolitik nach 2013. Die massiven Sparmaßnahmen der Bundesregierung und deren Auswirkungen auf die Arbeit der Träger waren bei der Veranstaltung in Erfurt allgegenwärtig.

Am 28. Und 29. September veranstaltete der Evangelische Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V. (EFAS) seine jährliche Fachtagung. Mitglieder, Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Interessenvertretungen diskutierten in Erfurt zum Thema „Gegenwart gestalten – Zukunft gewinnen – Arbeitsmarktpolitik nach 2013“.

Auch bei oberflächlich guter Lage am Arbeitsmarkt, der Anteil an langzeitarbeitslosen Menschen mit starken Problemen am Arbeitsmarkt ist in Deutschland hoch. 2011 waren fast die Hälfte (48 Prozent) aller Arbeitslosen in Deutschland langzeitarbeitslos. Dennoch hat die Regierung ihr Budget für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen seit 2010 um 2,2 Milliarden Euro auf aktuell 4,4 Milliarden Euro reduziert. Für 2013 sind noch einmal 500 Millionen Euro weniger eingeplant.

Für die Beschäftigungsträger bedeutet das, ihr Angebot an öffentlich geförderten Arbeitsplätzen immer stärker reduzieren zu müssen und immer weniger langzeitarbeitslose Menschen betreuen zu können. Am Beispiel der „Ein-Euro-Jobs“ manifestiert sich dies in einem Rückgang des Teilnehmerbestands um rund 54 Prozent auf weniger als 150.000 Personen zwischen 2009 (Jahresdurchschnitt) und September 2012.

Dreh- und Angelpunkt der Veranstaltung waren daher die Fragen nach dem Umgang mit diesen Kürzungen sowie den Perspektiven für den Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung, auch mit Blick auf die Bundestagswahl 2013. Trotz schwieriger Bedingungen erklärten die Mitglieder des EFAS den Willen zur Weiterarbeit und unterstrichen die Notwendigkeit eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors. Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland dürfe nicht verkannt werden. Viele der Betroffenen finden trotz intensiver Bemühungen keinen Job. Sie haben nicht die richtige Qualifikation, gelten als zu alt oder zu krank, sind alleinerziehend, haben persönliche Probleme oder können einfach in der Arbeit nicht mithalten. Diese Menschen könne und wolle man nicht zurück lassen und daher gemeinsam mit der Politik eine Lösung finden.

(Zu-)Finanzierungsalternative Passiv-Aktiv-Transfer

Als alternative Finanzierungsoption für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für Langzeitarbeitslose wurde daher das Modell des Passiv-Aktiv-Transfers (PAT) diskutiert. Hierbei sollen Gelder, die für die passiven Leistungen der Arbeitsmarktpolitik im Hartz IV-System aufgewendet werden, in öffentlich geförderte Arbeitsplätze investiert werden.

Das Modell kann allerdings nur eine Zufinanzierungsoption sein, wie Prof. Dr. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz in seinem Vortrag „Innovative Arbeitsmarktpolitik – Wie bekommt man Langzeitarbeitslose in Arbeit?“ unterstrich, denn nur mit einer Umwidmung der passiven Leistungen kann der finanzielle Aufwand nicht komplett abgedeckt werden.

Prof. Sell machte weiterhin deutlich, dass es jenseits der Positivmeldungen vom deutschen Arbeitsmarkt eine dramatische Verhärtung der Langzeitarbeitslosigkeit im Grundsicherungssystem („Hartz IV“) gebe, der die Sparpolitik der Regierung völlig zuwiderliefe. Wichtig sei es für diese Personen, öffentlich gefördert Beschäftigung mit „echter“ Arbeit zu verbinden, die tatsächlich für den ersten Arbeitsmarkt qualifiziere. Dann müssten aber die bisherigen und mit der Instrumentenreform nochmals verschärften Kriterien der Zusätzlichkeit, Wettbewerbsneutralität und auch die Befristung aufgehoben und öffentlich geförderte Beschäftigung grundsätzlich für alle Unternehmen geöffnet werden.

In einer Podiumsdiskussion positionierten sich zudem Oberkirchenrat Eberhard Grüneberg, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland, Kay Senius, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen, Dr. Christian Dorenkamp von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und Markus Keller aus dem Dezernat Soziales und Arbeit des Deutschen Landkreistages (DLT). Angesprochen wurden die aus der jeweiligen Sicht wichtigsten Baustellen der Arbeitsmarktpolitik 2013, Fördermöglichkeiten für langzeitarbeitslose Menschen mit mehreren „Vermittlungshemmnissen“ und Finanzierungsoptionen für einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt.

Auch die arbeitsmarktpolitischen Sprecher aller Bundestagsfraktionen sowie der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus sprachen zu den Themen der Podiumsdiskussion. Sie wurden per Videostatements beteiligt.

Arbeitsmarktpolitik nach 2013 – Sie entscheiden: Was sind die drei wichtigsten Baustellen?

Was kann die Arbeitsmarktpolitik für „arbeitsmarktferne“ Menschen tun, die trotz Aufschwung keine Arbeit finden?

Ist der soziale Arbeitsmarkt, der Langzeitarbeitslosen die Möglichkeit zur Teilnahme am Erwerbsleben eröffnet, eine Perspektive? Wenn ja, welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es?

Zum Weiterlesen:

Programm EFAS Fachtag 2012