9. Mai 2017
Seit dem 1. Januar 2017 werden die rund 80.000 Doppelbezieher, die sowohl Hartz IV als auch Arbeitslosengeld beziehen, von der Arbeitsagentur (BA) betreut. Diese Umstellung sollte die Jobcenter entlasten, zieht aber stattdessen finanziellen und bürokratischen Mehraufwand nach sich.
Gleichstellung aller Arbeitslosengeldempfänger
2016 mussten rund 80.000 Menschen ihr Arbeitslosengeld mit Hartz IV aufstocken, weil dieses unter der Grenze der Existenzsicherung lag. Anders als die Leistungsempfänger, die ausschließlich Arbeitslosengeld bezogen, wurden diese Doppelbezieher bisher von den Jobcentern betreut. Mit der 9. Änderung des Zweiten Sozialgesetzbuch, dem sog. Rechtsvereinfachungsgesetzt, das zum 1. Januar 2017 in Kraft trat, wurde diese Ungleichbehandlung aufgehoben. Zuvor konnten Eingliederungsmittel, also Fördermittel zur Eingliederung in Arbeit, nur aus dem Leistungskatalog der Jobcenter bewilligt werden. Somit hatten Empfänger von Arbeitslosengeld unterschiedliche Förderansprüche bei unterschiedlichen Leistungsträgern.
Mehrbedarfe bei den Arbeitsagenturen
Ziel der Gesetzesnovelle sollte eine Entlastung der Jobcenter sein. Der Wegfall der Doppelbezieher aus ihrer Betreuung sollte die Verwaltungskosten senken. Die Bundesregierung rechnete hierbei mit einer Einsparung von ca. 630 Vollzeitkräfte auf Seiten der Jobcenter. Jedoch musste sie dabei gleichzeitig zugeben, dass es nicht zu „unmittelbaren Minderausgaben im Bundeshaushalt“ kommen wird. Denn trotz der faktischen Entlastung der Jobcenter kommt es an anderer Stelle, nämlich bei den Arbeitsagenturen, zu einer zusätzlichen Belastung. Die Umstellung, so Bundesregierung, verursache bei den Arbeitsagenturen einen zusätzlichen Personalbedarf von 730 Vollzeitkräften. Insgesamt führt die Betreuungsumstellung netto also nicht zu einer Einsparung, sondern einem Mehrbedarf an Personal.
Kaum Entlastung der Jobcenter-Verwaltungen
Trotz der insgesamt erwarteten Mehrkosten ist nicht von der Hand zu weisen, dass durch die Gesetzesänderung in den Jobcentern weniger Leistungsempfänger vermittlerisch betreut werden müssen. Dennoch ist diese Entlastung geringer als auf den ersten Blick zu erwarten. Zunächst machen die insgesamt 80.000 Doppelbezieher in Deutschland nur einen kleinen Anteil an allen Leistungsempfängern aus. Seit 2011 liegt der Anteil der Doppelbezieher an allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigen relativ stabil bei rund zwei Prozent. Darüber hinaus bezieht sich die Gesetzesänderung ausschließlich auf die Leistungen zur Integration in Arbeit. Da Hartz-IV-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts davon unberührt sind, verbleiben Doppelbezieher der Leistungsverwaltung der Jobcenter erhalten.
„Doppelte“ Betreuung von Bedarfsgemeinschaften
Eine Erleichterung der Jobcenter-Verwaltungen erscheint umso zweifelhafter, wenn man den Blick auf ganze Bedarfsgemeinschaften von Doppelbezieher lenkt. Bedarfsgemeinschaften von Doppelbeziehern bestehen in mehr als der Hälfte aller Fälle aus mehreren Personen. Je größer die Bedarfsgemeinschaft ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Arbeitslosengeld alleine nicht ausreicht und mit Hartz IV ergänzt werden muss. Die Leistungsfälle „gemischter“ Bedarfsgemeinschaften von Doppelbeziehern mit reinen Hartz-IV-Beziehern werden auch weiterhin von den Jobcentern betreut. Ein Nebeneffekt der Gesetzesnovelle ist daher die nun mögliche Doppelbetreuung einer Bedarfsgemeinschaft durch zwei Institutionen, Arbeitsagentur und Jobcenter, nach den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben. In der Konsequenz gelingt die von der Bundesregierung beabsichtigte Vermeidung von Doppelstrukturen nur in Hinblick auf die integrationspolitische Verwaltung von Einzelpersonen und wird mit einem personellen und bürokratischen Mehraufwand bezahlt.
von Lena Becher
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