24. Mai 2016
Die Verwaltung des Hartz-IV-Systems ist zeitaufwendig und teuer. Das Gesetz zur Rechtsvereinfachung soll das ändern, doch die erwarteten Effekte sind gering. Nur 39 Millionen Euro sollen die Reformen jährlich einsparen. Und selbst das ist unrealistisch.
Das Gesetz zur Rechtsvereinfachung im Sozialgesetzbuch II liegt in den letzten Zügen. Es soll den mit der Umsetzung der Hartz-Gesetze verbundenen Verwaltungsaufwand und dessen Kosten reduzieren. Doch die Gesetzesänderungen, über die bereits seit 2013 beraten wird, sollen jährlich nur 39 Millionen Euro Verwaltungskosten einsparen. Das entspricht gerade mal einem Prozent des Gesamtbudgets von vier Milliarden Euro.
Die erwarteten Einsparungen von 39 Millionen Euro ergeben sich aus lediglich zwei Gesetzesänderungen des insgesamt 100 Seiten starken Reformpapiers – der Verlängerung des Bewilligungszeitraums für Hartz-IV-Leistungen und der Aufhebung der Pflicht zur Arbeitsunfähigkeits-Meldung bestimmter Personengruppen.
Verlängerter Bewilligungszeitraum vielfach schon Realität
So soll sich zukünftig nicht mehr jeder Bezieher von Hartz-IV-Leistungen im erwerbsfähigen Alter erwerbsunfähig melden müssen. Aufstocker und Schüler beispielsweise, bei denen eine Arbeitsunfähigkeit irrelevant für die Vermittlungsarbeit der Jobcenter ist, wären dann von der Pflicht befreit. Das Ministerium rechnet mit etwa 400.000 Fällen und damit verbundenen Einsparung von einer Million Euro.
Weiterhin sollen Arbeitslosengeld II und Sozialgeld für zwölf Monate statt wie bisher für sechs Monate bewilligt werden. Das Ministerium erwartet deshalb jährlich 2,5 Millionen Weiterbewilligungsanträge weniger und 38 Millionen Euro eingesparte Personal- und Materialkosten. Doch die Rechnung hat einen Fehler: Bereits aktuell ist es den Jobcentern möglich, von dem sechsmonatigen Bewilligungszeitraum abzuweichen, und das tun sie auch in großem Umfang. So werden zum Beispiel im Jobcenter Leipzig 80 Prozent aller Bewilligungen für ein Jahr ausgesprochen. Es ist also zu erwarten, dass die geschätzten 38 Millionen Euro noch deutlich nach unten korrigiert werden müssen.
Rechtsvereinfachung versus Rechtsverkomplizierung
Zu den Effekten der übrigen Reformen hält das Ministerium nur vage Aussagen bereit. Auch die übrigen Änderungen würden „überwiegend zu Entlastungen beim Erfüllungsaufwand der Jobcenter in nicht näher bestimmbarem Umfang“ führen und der „geringe einmalige Umstellungsaufwand“ würde „im Rahmen der bestehenden Ansätze ausgeglichen“. Dass der Gesetzentwurf auch Änderungen enthält, die zu mehr Verwaltungsaufwand und entsprechend auch zu neuen Kosten führen werden, darunter die tageweise Verteilung des Sozialgelds für Kinder von getrennt lebenden Eltern, berücksichtigt die Berechnung nicht.
Für Prof. Dr. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz sind die geringen Einspareffekte der Reform eine Farce: „Das offenbart die ganze Fragwürdigkeit des Unterfangens – für Einsparungen in Höhe von gerade mal einem Prozent der gegenwärtigen Verwaltungskosten überhaupt ein Gesetzgebungsverfahren auf die Schiene zu setzen, ist an und für sich ein Fall für den Rechnungshof.“
Keine Erhöhung des Verwaltungsbudgets
Auch die seit Jahren prekäre Haushaltslage der Jobcenter können die minimalen Einspareffekte nicht entspannen. In den letzten Jahren stopften die Jobcenter die Löcher in ihren Verwaltungskassen mit immer höheren Beträgen aus den Eingliederungsbudgets, die eigentlich zur Finanzierung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen gedacht sind.
2014 überschritten die tatsächlichen Verwaltungsausgaben der Jobcenter das zugeteilte Budget von vier Milliarden Euro um etwa 500 Millionen. 522 Millionen entnahmen die Jobcenter aus dem Eingliederungsbudget. Dieser Unterfinanzierung mit einer Erhöhung der Finanzmittel zu begegnen, ist allerdings nicht geplant.
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