15. Mai 2019
Sind Frauen seltener arbeitslos als Männer? Wenn man die niedrigere Arbeitslosenquote für Frauen betrachtet, müsste man diese Frage mit „Ja“ beantworten. Ein Blick in die Hartz-IV-Statistik der Arbeitsagentur zeigt jedoch, dass die offizielle Arbeitslosenzahl von Frauen das eigentliche Ausmaß beschönigt.
In Deutschland lag die amtliche Arbeitslosenquote laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Jahr 2018 bei 5,2 Prozent. Männer waren dieser Statistik nach mit einer Quote von 5,4 Prozent öfter arbeitslos als Frauen mit einer Arbeitslosenquote von 5,0. Weil aber vor allem Frauen aufgrund von Sonderregelungen und der Sorgearbeit für Angehörige nicht in der offiziellen Arbeitslosenzahl erfasst werden, bildet die Arbeitslosenquote die Arbeitslosigkeit von Frauen aber nur eingeschränkt ab. Das geht aus der Statistik über arbeitslose und nicht arbeitslose Hartz-IV-Bezieher der BA hervor.
55 Prozent der Arbeitslosen im Hartz-IV-System ist männlich
Im Jahr 2018 gab es rund 1,5 Millionen arbeitslose Bezieher von Hartz-IV-Leistungen. Die Mehrheit von ihnen waren Männer. Rund 680.000 oder 44,7 Prozent der Arbeitslosen im Hartz-IV-System waren Frauen. Die ungleiche Verteilung der Arbeitslosigkeit im Hartz-IV-System auf die Geschlechter ist im Zeitverlauf stabil. Im Gegensatz dazu ist der Hartz-IV-Bezug insgesamt nahezu zu gleichen Teilen auf Männer und Frauen verteilt: Im Jahr 2018 waren knapp 2,1 Millionen oder 49,8 Prozent aller 4,1 Millionen Erwerbsfähigen im Hartz-IV-System Männer. Wie lässt sich dieser Unterschied erklären?
Nicht einmal jede dritte Frau ist offiziell arbeitslos
Neben der Zahl der Arbeitslosen veröffentlicht die BA auch die Zahl der nicht Arbeitslosen im Hartz-IV-System. Auch die Gründe für nicht Arbeitslosigkeit werden statistisch erfasst. So zeigt die BA-Statistik, dass nur rund 14 Prozent der erwerbsfähigen Bezieher von Hartz-IV-Leistungen tatsächlich aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit nicht arbeitslos sind. Der überwiegende Teil der Erwerbsfähigen im Hartz-IV-System fällt wegen Sonderregelungen aus der Arbeitslosenstatistik. Gründe hierfür sind zum Beispiel der Besuch von Bildungseinrichtungen oder die Teilnahme an Maßnahmen aber auch die Pflege von Angehörigen oder die Erziehung von Kindern.
Hierbei kommen massive geschlechtsspezifische Unterschiede zum Tragen: Während fast jede zehnte Frau im Hartz-IV-System aufgrund von Erziehung, Haushalt und Pflege nicht als arbeitslos im Sinne der Statistik gilt, ist es nicht einmal jeder hundertste Mann. Auch Sonderregelungen für Ältere werden bei Frauen häufiger angewendet als bei Männern. 7,5 Prozent der erwerbsfähigen Frauen im Hartz-IV-System gelten alleine deshalb nicht als arbeitslos, weil sie über 58 Jahre alt sind und seit mindestens einem Jahr kein Vermittlungsangebot mehr erhalten haben. Insgesamt ist aufgrund dieser Unterschiede nicht einmal ein Drittel der erwerbsfähigen Frauen im Hartz-IV-Bezug offiziell arbeitslos.
Die Zahlen aus dem Hartz-IV-System zeigen erneut, dass Arbeitslosigkeit und Nichterwerbstätigkeit keinesfalls gleichzusetzen sind. So lässt die offizielle Zahl der arbeitslosen Frauen viele, die keiner klassischen Erwerbstätigkeit nachgehen, unberücksichtigt. Frauen, die sich um Haushalt, Erziehung und Pflege kümmern, sind zwar im Sinne von Care-Arbeit unentgeltlich tätig, aber dennoch de facto arbeitslos im Sinne bezahlter Erwerbsarbeit. Es besteht das Risiko, dass diese Frauen bei einem simplen Blick auf die Zahl der Arbeitslosen vergessen und somit auch arbeitsmarktpolitisch ausgeblendet werden. Diese Problematik wird auch dann relevant, wenn die vermeintlich niedrigere Langzeitarbeitslosigkeit von Frauen diskutiert wird, die unter anderem auf die statistische Untererfassung der Arbeitslosigkeit von Frauen zurückzuführen ist.
Lückenhafte Angaben zur inoffiziellen Arbeitslosigkeit nach Geschlecht
Die hier zitierten Zahlen stammen aus einer Sonderauswertung des Statistik-Service der BA für O-Ton Arbeitsmarkt und beziehen sich ausschließlich auf das Hartz-IV-System. Zur inoffiziellen Arbeitslosigkeit im System der Arbeitslosenversicherung liegen nach Auskunft des Statistik-Service derzeit keine Angaben vor. Da zwei Drittel aller Arbeitslosen im Hartz-IV-System betreut werden, haben die hier genannten geschlechtsspezifischen Unterschiede jedoch signifikante Auswirkungen auf die Arbeitslosenzahl von Frauen insgesamt.
von Lena Becher
Zum Weiterlesen:
O-Ton Arbeitsmarkt, Frauen am Arbeitsmarkt: Jede Dritte ist atypisch beschäftigt, 27.03.2019.