22. Februar 2013
(o-ton) 2011 gab es jeden Monat etwa 10.403 „Hartz IV“-Empfänger, deren Regelleistung bis zu drei Monate lang vollständig gestrichen wurde. Das geht aus den Antworten der Bundesregierung auf kleine Anfragen der Linken hervor. In dieser Zeit führen die Betroffenen ein Leben unterhalb des Existenzminimums. Jugendliche unter 25 Jahren treffen Sanktionen besonders hart. Im Extremfall sind Betroffene nur noch eingeschränkt krankenversichert.
2011 gab es jeden Monat etwa 10.403 erwerbsfähige Empfänger von Arbeitslosengeld II (Jahresdurchschnittswert), deren Regelleistung aufgrund von Sanktionen vollständig gestrichen wurde. Bei etwa der Hälfte, monatlich etwa 5.800 Personen in 2010 (keine aktuelleren Daten verfügbar), wurde auch die Erstattung von Miet- und Heizkosten eingestellt. Betroffen hiervon sind vor allem Jugendliche unter 25 Jahren, denn für sie gelten verschärfte Sanktionsregeln.
Drei Monate unterhalb des Existenzminimums
Sanktionen folgen dem Prinzip des „Förderns und Forderns“ des Zweiten Sozialgesetzbuchs (SGB II). Wenn Empfänger von Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) nicht aktiv an allen Maßnahmen der Jobcenter mitwirken, können ihre Bezüge teilweise oder vollständig gekürzt werden. Sanktionen dauern drei Monate, bei unter 25-Jährigen kann die Dauer auf sechs Wochen verkürzt werden. In dieser Zeit führen die Betroffenen ein Leben unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums.
Zwar können Vollsanktionierte Ersatzleistungen, zum Beispiel Lebensmittelgutscheine, beantragen. Diese müssen aber nur dann bewilligt werden, wenn minderjährige Kinder zum Haushalt gehören. Werden für die Sanktionsdauer keine Ersatzleistungen gewährt, sind die Jobcenter zudem nicht mehr verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Die Betroffenen müssen die Beiträge zur Krankenversicherung dann selbst tragen. Da dies bei Totalsanktionierten finanziell kaum möglich ist, besteht Anspruch auf medizinische Versorgung nur noch bei akuten Schmerzen oder Schwangerschaft.
Schärfere Sanktionen für Jugendliche unter 25 Jahren
Für eine Vollsanktionierung müssen größere Verletzungen der Mitwirkungspflicht vorliegen. Hierzu gehören die Weigerung, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen oder die darin festgehaltenen Pflichten zu erfüllen, sowie die Ablehnung einer zumutbaren Arbeit, einer Ausbildung oder von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen beziehungsweise deren Abbruch.
Bei Jugendlichen unter 25 Jahren tritt eine Vollsanktionierung schneller ein. Bei einmaligem Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht wird die Regelleistung komplett gestrichen. Beim zweiten Verstoß innerhalb eines Jahres werden auch die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht mehr erstattet.
Ist der Sanktionierte hingegen 25 Jahre oder älter, wird seine Regelleistung beim ersten Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht um 30 Prozent gekürzt. Beim zweiten Verstoß erfolgt eine Kürzung der Bezüge um 60 Prozent. Bei weiteren Pflichtverletzungen können die Bezüge komplett gestrichen werden. Auch bei Personen im Alter von 25 Jahren oder mehr können die Miet- und Heizkosten gestrichen werden.
Fragwürdige Wirkung der Sanktionen
Eine Befragung von Fachkräften der Bundesagentur für Arbeit durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt, dass Arbeitsvermittler Totalsanktionen sehr kritisch gegenüberstehen. Sie seien zu hart und wären gerade bei Jugendlichen kontraproduktiv, wenn das eigentliche Ziel heiße, sie nachhaltig in Arbeit zu vermitteln. Vielfach seien die sanktionierten Jugendlichen mit den Kürzungen komplett überfordert. Sie resignierten, brächen den Kontakt zum Jobcenter ab und verschwänden. Nicht selten sei Kleinkriminalität, Schwarzarbeit und Verschuldung die Folge.
Zum Weiterlesen:
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Sanktionen im SGB II (Kurzbericht 10/2010)
SGB II Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende, § 31, Pflichtverletzungen