25. März 2013
(o-ton) Arbeitslosigkeit ist keine Gewöhnungssache. Auch nach längerer Zeit arrangieren sich Betroffene nicht mit ihrer Situation, sondern erleben sie als zunehmend belastend. Das belegen Wissenschaftler der Universität Lausanne. Sie empfehlen daher eine konsequent aktivierende Arbeitsmarktpolitik statt Sanktionen.
Arbeitslose leiden stark unter dem Verlust ihres Arbeitsplatzes. Dennoch bleibt nach jeder Wirtschaftskrise eine steigende Zahl von Menschen dauerhaft arbeitslos, obwohl sich der Arbeitsmarkt wieder erholt. Eine Theorie für diese Entwicklung, die so genannte Hysterese, besagt, dass Ursache hierfür ein möglicher „Gewöhnungseffekt“ sein könnte. Sie geht davon aus, dass der Leidensdruck durch die Arbeitslosigkeit mit zunehmender Dauer oder bei häufigen Jobverlusten abnimmt. Die Arbeitslosen gewöhnten sich an ihre Situation, richteten sich scheinbar bequem im Sozialleistungsbezug ein und suchten nicht mehr nach Arbeit.
Daniel Oesch und Oliver Lipps von der Universität Lausanne haben diese Theorie nun widerlegt. Weder Dauer noch Häufigkeit mindern den Leidensdruck der Arbeitslosen, so die Forscher. Im Gegenteil verschlechtere sich das Wohlbefinden, je länger die Arbeitslosigkeit andauere. Langzeitarbeitslose hätten eine deutlich geringere Lebenszufriedenheit als Kurzzeitarbeitslose. Personen mit einer mehr als ein Jahr andauernden Arbeitslosigkeit wiesen die geringste Lebenszufriedenheit auf.
Darüber hinaus mache es keinen Unterschied, ob die Arbeitslosen in einer Region mit hoher oder niedriger allgemeiner Arbeitslosigkeit leben oder zu einer wirtschaftlichen Rezessions- oder Aufschwungphase. Arbeitslosigkeit belastet also nicht weniger, wenn viele Menschen davon betroffen sind. Von einem komfortablen Einrichten oder einer gewollten Arbeitslosigkeit könne also nicht gesprochen werden, so die Wissenschaftler, deren Ergebnisse auf Auswertungen des deutschen Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) aus den Jahren 1984 bis 2009 und dem Schweizer Haushalts-Panel (SHP) der Jahre 2000 bis 2009 beruhen.
Die Forscher schlussfolgern daher, dass Kürzungen von Arbeitslosengeld und „Hartz IV“-Leistungen Arbeitslose kaum in Arbeit bringen. Sie machten „ein schwieriges Leben nur elender“. Den Hysterese-Effekt erklären sie folglich nicht mit einer sinkenden Arbeitsbereitschaft der (Langzeit-)Arbeitslosen. Stattdessen seien die länger zurückliegende Arbeitserfahrung und ein geringeres Selbstbewusstsein gemeinsam mit Arbeitgebervorbehalten Hintergrund von Schwierigkeiten bei der Jobsuche.
Sinnvolle Arbeitsmarktpolitik solle sich daher weniger auf Sanktionen und mehr auf eine Steigerung der Arbeitskräftenachfrage und effektive Qualifizierung und Unterstützung von (Langzeit-)Arbeitslosen bei der Arbeitssuche konzentrieren.
Zum Weiterlesen:
DIW Berlin (2011), Does unemployment hurt more if there is less of it around?