27. April 2020
Im ersten Jahr der Laufzeit erhielten rund 34.000 vormals Langzeitarbeitslose einen geförderten Arbeitsplatz in der Teilhabe am Arbeitsmarkt. Doch wo sind diese neuen Stellen entstanden? Dieser Fragestellung ging eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion nach, auf die die Bundesregierung nun geantwortet hat.
Mit der Teilhabe am Arbeitsmarkt nach §16i SGB II gibt es seit dem 1. Januar 2019 ein neues Instrument zur Förderung von Langzeitarbeitslosen im Hartz-IV-Bezug. Langzeitarbeitslose erhalten einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz und die einstellenden Arbeitgeber einen Lohnkostenzuschuss, der bis zu 100 Prozent betragen kann. Im ersten Jahr nach Inkrafttreten erhielten rund 34.000 Personen eine geförderte Arbeitsstelle nach §16i SGB II. Das Novum des Instruments: Anders als bei vorherigen Varianten der öffentlich geförderten Beschäftigung entfällt die Prüfung der Gemeinwohlorientierung, Zusätzlichkeit und Wettbewerbsneutralität. Dadurch sollen gleichermaßen private, öffentliche und gemeinwohlorientierte Arbeitgeber beteiligt und Übergange in ungeförderte Beschäftigung erleichtert werden.
Woher kommen die Erkenntnisse zum Sozialen Arbeitsmarkt?
Das Monitoring des neuen Instruments, für das die Bundesregierung zusätzliche Mittel von bis zu vier Milliarden Euro ankündigte, beschäftigt sich deshalb auch mit der Frage bei welchen Arbeitgebertypen die meisten Arbeitsplätze entstehen. In einer Pressemitteilung gab das BMAS im Januar 2020 bekannt, dass drei Viertel der Arbeitsplätze im „privaten Sektor“ entstanden waren. Als Reaktion darauf folgten kritische Nachfragen einiger Parteien und Verbände, unter anderem der FDP, die ihre Bedenken hinsichtlich der Aussagekraft in einer Kleinen Anfrage im Bundestag formulierte. Ich der Anfrage zeigte sich die FDP angesichts der BMAS-Meldung verwundert. So hatte der DGB in einer eigenen Erhebung ermittelt, dass nur etwa ein viertel der Förderungen nach §16i SGB II auf private Arbeitgeber entfiel. Die FDP wollte daher wissen, woher das BMAS seine Daten bezogen hatte und wie bei der Unterscheidung der Arbeitgeberkategorien vorgegangen war.
Quelle: Zentrum für Kunden- und Mitarbeiterbefragungen der Bundesagentur für Arbeit, Darstellung O-Ton Arbeitsmarkt.
Die Bundesregierung gab in ihrer Antwort vom 9. April 2020 schließlich an, dass die vom BMAS zitierte Erhebung auf einer telefonischen Befragung, durchgeführt vom Zentrum für Kunden- und Mitarbeiterbefragung (ZKM) der Bundesagentur für Arbeit, von 600 Arbeitgebern mit einer §16i-Stelle beruhte und nicht repräsentativ sei. Nach statistischen Maßstäben können die Ergebnisse dieser Befragung von 600 Arbeitgebern also nicht auf die Gesamtheit der rund 34.000 Geförderten übertragen werden. Auch die dargelegte Differenzierung der Befragung zwischen privaten, öffentlichen bzw. kommunalen und kirchlichen Arbeitgebern sowie Beschäftigungsträgern ist aufschlussreich.
Laut der Antwort der Bundesregierung handelt es sich bei der Kategorie der privaten Arbeitgeber nämlich nicht ausschließlich um Unternehmen, die gewinnorientiert agieren, sondern auch um gemeinwohlorientierte privatwirtschaftliche Arbeitgeber. Dazu kommt die vierte Kategorie der Beschäftigungsträger. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, bei denen neben Förderungen in der Teilhabe am Arbeitsmarkt auch andere geförderte Beschäftigungsverhältnisse oder Eingliederungsmaßnahmen bestehen zum Beispiel Arbeitsgelegenheiten („Ein-Euro-Jobs“). Sie diese tauchen im Ergebnis der Befragung des BMAS gar nicht auf, während sie bei der DGB-Umfrage etwa ein Viertel der Arbeitgeber ausmachen.
Erhebungen mit unklarem Erkenntnisgewinn
Es ist auch nach der Antwort der Bundesregierung immer noch unklar, welchen Erkenntnisgewinn die Erhebung des BMAS bietet. Hinter der Frage nach der Verteilung von Arbeitgeberkategorien verbirgt sich die Annahme, dass nur die Arbeitsverhältnisse nachhaltig sind, die möglichst nah am ersten Arbeitsmarkt, also den Stellen ohne Förderung, sind. Ihnen gegenüber stünden niederschwellige Arbeitsangeboten, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähig wären und ohne eine Förderung überhaupt nicht erst bestehen könnten.
Zur Beantwortung der Frage, wie viele der mit einer §16i-Förderung bezuschussten Stellen zukunftsfähig sind, eignen sich die bisher vorliegenden Daten allerdings nicht. So werden in der BMAS-Erhebung gemeinwohl- und gewinnorientierte Unternehmen in einer gemeinsamen Kategorie zusammengefasst – dies dürfte für Verfechter der zuvor genannten These problematisch sein. Gleichzeitig wurden kirchliche Arbeitgeber in der BMAS-Erhebung mit einer eigenen Kategorie bedacht. Kirchliche Träger wie Diakonie und Caritas sind dabei allerdings nicht nur als Unternehmen im Bereich wie beispielsweise der Alten- und Krankenpflege tätig, sondern sie agieren auch als Beschäftigungsträger in Einrichtungen, die eine Vielzahl von öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnissen durchführen. Eine transparente, einheitliche und vor allen Dingen repräsentative Statistik über die Arbeitgeber am Sozialen Arbeitsmarkt liegt also noch in weiter Ferne.
von Lena Becher
Zum Weiterlesen:
Deutscher Gewerkschaftsbund, Erste Erfahrungen mit dem „Sozialen Arbeitsmarkt“, 19.11.2019.