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Die Instrumentenreform: Weniger Arbeitslose = weniger Arbeitsmarktpolitik?

(o-ton) Am 1. April dieses Jahres veränderte das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, kurz Instrumentenreform, die Arbeitsmarktpolitik nachhaltig. Die Regierung verspricht Vereinfachungen und mehr Wirksamkeit bei der Vermittlung in Arbeit. Kritiker sehen in den Gesetzesänderungen vor allem umfangreiche Sparmaßnahmen mit fragwürdigen Argumenten. Besonders die öffentlich geförderte Beschäftigung und der Gründungszuschuss sind betroffen.

Der Staat muss sparen. Im großen Stil betrifft das aktuell die Arbeitsmarktpolitik. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), auf das der mit Abstand größte Posten im Regierungsetat entfällt, soll bis 2013 knapp sechseinhalb Milliarden Euro weniger ausgeben. Allein die Instrumentenreform wird davon jährlich zwischen 2,5 und drei Milliarden Euro schultern, indem, so die offizielle Erklärung, ineffektive Instrumente aussortiert und das gesamte Repertoire der Maßnahmen gestrafft wird.

Aber welche Maßnahmen sind effektiv und welche nicht? Das Ministerium beruft sich hier auf eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). Das zur Bundesagentur für Arbeit gehörende Institut hat Ein-Euro-Jobs, Bildungsgutscheine, Gründungszuschuss und Co. auf ihre Wirkung bei der Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt hin untersucht. Nur: Bei genauerem Hinsehen haben die Reformen wenig mit den Studienergebnissen zu tun.

Sparen statt optimieren

Besonders auffällig ist das beim Gründungszuschuss. Das Instrument, das arbeitslosen Existenzgründern finanzielle Starthilfe leistet, ist laut IAB besonders auf lange Sicht eine der erfolgreichsten Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik, aber auch eine der teuersten. Durch die Instrumentenreform wird der Gründungszuschuss eine Ermessensleistung. Arbeitslose haben nun keinen Rechtsanspruch mehr auf die Förderung, sondern sind abhängig vom Ja oder Nein der Vermittler. Das Ministerium erwartet hierdurch Einsparungen von eins bis 1,3 Milliarden Euro pro Jahr.

Die öffentlich geförderte Beschäftigung ist der nächste große Sparposten der Regierung. Die staatlich finanzierten Arbeitsplätze, die langzeitarbeitslose Menschen (wieder) an den ersten Arbeitsmarkt heranführen sollen, seien wenig erfolgreich und teilweise sogar hinderlich bei der Vermittlung in Arbeit, so Arbeitsministerin von der Leyen. Und so streicht das Ministerium die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante komplett. Umfang, finanzielle Förderung und Zugangsmöglichkeiten zu den zwei verbleibenden Instrumenten, den Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (Ein-Euro-Jobs) und der Förderung zusätzlicher Arbeitsverhältnisse, bisher bekannt als Beschäftigungszuschuss, wurden zudem deutlich eingeschränkt.

Die Maßnahmen sind nicht pauschal wirksam oder unwirksam

Dass das IAB die Unwirksamkeit der Maßnahmen so nie festgestellt hat, verschweigt das Ministerium. Tatsächlich schreibt das Institut in seiner Studie: „Die Wirkungen von Fördermaßnahmen unterscheiden sich oft nach Teilnehmergruppen, so dass sich Instrumente nicht pauschal als wirksam oder unwirksam etikettieren lassen.“

Die gestrichenen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beispielsweise hätten laut IAB zwar bei arbeitsmarktnahen Personen tatsächlich negative Effekte, denn die Teilnehmer suchen oft weniger intensiv nach Arbeit, während sie an einer Maßnahme teilnehmen und verpassen so teilweise die Chance auf einen regulären Arbeitsplatz. Bei arbeitsmarktfernen Personen hingegen, die kaum Chancen auf eine Stelle am ersten Arbeitsmarkt haben, seien sie aber durchaus erfolgreich und würden langfristig dazu beitragen, deren Beschäftigungschancen zu erhöhen.

Ähnliches gilt für die Ein-Euro-Jobs, die zwar nicht grundsätzlich als Erfolgsgeschichte bewertet werden können, aber bei bestimmten Personengruppen, vor allem Frauen, Älteren, mehrjährig Arbeitslosen und jungen Menschen häufig die Chancen auf eine ungeförderte Arbeitsstelle verbessern. Würde man die Evaluationsergebnisse also tatsächlich umsetzen wollen, wären pauschale Maßnahmenkürzungen unsinnig. Folgerichtig müsste man stattdessen dafür sorgen, dass die vorhandenen Maßnahmen die Personen erreichen, denen sie nutzen. Das setzt allerdings entsprechende Fähigkeiten der Vermittler in Jobcentern und Arbeitsagenturen voraus.

Der sozialpolitische Auftrag der Arbeitsmarktpolitik

Grundsätzlich sieht es das Institut selbst als problematisch an, den Erfolg der Maßnahmen alleine am Effekt auf die Integration in Arbeit zu messen. Der sozialpolitische Auftrag der Arbeitsmarktpolitik, Nachteile bei bestimmten Personengruppen auszugleichen, indem die Beschäftigungsfähigkeit langfristig erhöht oder die soziale Teilhabe ermöglicht wird, wird nicht berücksichtigt. Verlierer dieser Sichtweise sind besonders die arbeitsmarktfernen Personen. Kritiker werfen der Regierung vor, diese Menschen als „hoffnungslose Fälle“ abzuschreiben und Förderung nur noch denen anzubieten, bei denen sie vergleichsweise schnelle Erfolge verzeichnet.

Dass das Ministerium bereits von Vollbeschäftigung spricht und damit suggeriert, durch die gute Wirtschaftslage und Qualifizierungsangebote auch noch die letzten Arbeitslosen auf dem ersten Arbeitsmarkt unterbringen zu können, unterstützt diesen Vorwurf.  Langzeitarbeitslose arbeitsmarktferne Personen haben in der Regel mehrere Vermittlungshemmnisse, die völlig unabhängig von der wirtschaftlichen Situation sind. Dazu gehören gesundheitliche Probleme, ein höheres Alter, aber auch eine geringe Ausbildung oder Sprachbarrieren, die Weiterbildungsangebote nicht oder nicht unmittelbar lösen können. Von den aktuell knapp über eine Million Langzeitarbeitslosen betrifft das nach Schätzungen des IAB in etwa die Hälfte. 500.000 Menschen, deren Betreuung sich die Regierung mit der Instrumentenreform zukünftig spart.

Zum Weiterlesen:

Rede von Arbeitsministerin von der Leyen zur Instrumentenreform

Pressemeldung des BMAS zur Instrumentenreform

Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt

IAB-Evaluation der arbeitsmarktpolitischen Instrumente

Papier der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Instrumentenreform

Eckwertebeschluss zum Bundeshaushalt (Link online nicht mehr verfügbar)