22. Mai 2017
1,6 Millionen Kinder unter 15 Jahren in Deutschland erhalten laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit Hartz-IV-Leistungen. Das eigentliche Ausmaß Hartz-IV-abhängiger Kinder ist aber noch größer: Weitere knapp 250.000 Kinder zwischen 15 und 18 Jahren sowie rund 115.000 Kinder ohne eigenen Leistungsanspruch leben in Hartz-IV-Haushalten.
Obwohl in der Presse derzeit von rund 1,6 Millionen Kindern im Hartz-IV-Bezug gesprochen wird, ist diese Zahl gleich doppelt irreführend. Denn sie bezieht sich erstens nur auf unter 15-jährige Kinder, die zweitens einen eigenen Hartz-IV-Anspruch besitzen. Somit erfasst sie längst nicht alle Kinder, die von Hartz-IV-Leistungen abhängig sind. Aufschlussreicher wäre, über die knapp 2 Millionen Kinder unter 18 Jahren zu sprechen, die in Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften leben. Hierbei würden nicht nur alle minderjährigen Leistungsempfänger berücksichtigt. Dazu kämen außerdem auch die Kinder, die laut Bundesagentur für Arbeit (BA) „ihren individuellen Bedarf durch eigenes Einkommen decken“ können sowie die „vom Leistungsanspruch ausgeschlossenen Personen“.
Zweifach verzerrte Berichterstattung
Der mediale Fokus auf Kinder unter 15 Jahren, also auf nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, führt auch zu einer Vermischung statistischer Größen, die insgesamt die Situation von Kindern im Hartz-IV-Bezug beschönigt. So wird die irreführend niedrige Zahl der Kinder im Hartz-IV-Bezug gerne in einem Atemzug mit der irreführend niedrigen Hartz-IV-Hilfequote genannt. Diese Hilfequote veröffentlicht die BA parallel zur Statistik der leistungsberechtigten Kinder. Aus ihr geht hervor, wie groß der Anteil von unter 18-jährigen Hartz-IV-Empfängern an der Gesamtbevölkerung ist. Laut Hartz-IV-Hilfequote für Kinder erhielten im Dezember 2016 rund 14 Prozent aller Kinder unter 18 Jahren in Deutschland Hartz-IV-Leistungen.
Eingeschränkte Aussagekraft der Hilfequote
Aufgrund einer Änderung der Statistik in 2016 erfasst sie aber nicht alle Kinder, die tatsächlich von Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende abhängig sind. So werden bei der Errechnung der Hilfequote nur die Kinder berücksichtigt, die „individuell betrachtet“ leistungsberechtigt sind (O-Ton berichtete). Im Dezember 2016 blieben daher knapp 115.000 Kinder unter 18 Jahren ohne eigenen Leistungsanspruch in der Berechnung der Hilfequote unberücksichtigt.
In die Realität übersetzt bedeutet das zum Beispiel: Ein Kind lebt in einem Hartz-IV-Haushalt, für das dieser Haushalt Kindergeld sowie von einem getrenntlebenden Elternteil Unterhaltsleistungen erhält. Zusammengerechnet liegt dieser Betrag über dem Regelsatz für das betreffende Kind, je nach Alter zwischen 237 und 311 Euro. Das Kind selbst ist also nicht hilfebedürftig, zumindest, wenn man es isoliert von dem Haushalt betrachtet, in dem es lebt. Dass dieser Haushalt insgesamt aber weiterhin von Hartz-IV-Leistungen abhängig ist, ist für die Statistik irrelevant.
von Lena Becher
Zum Weiterlesen:
Bundesagentur für Arbeit, Kinder in Bedarfsgemeinschaften, Dezember 2016.
O-Ton Arbeitsmarkt, Statistikänderung lässt rund 130.000 Hartz-IV Kinder verschwinden, 08.06.2016.